Die Geschichte des Animationsfilms

Die Anfänge der Stop Motion Animation reichen bis zu den optischen Spielzeugen wie der Laterna Magica auf den Jahrmärkten des 17. Jahrhunderts zurück. Die wichtigste Voraussetzung damit der Film sich überhaupt entwickeln konnte, ist die Erfindung der Fotografie seit etwa 1820. In den 1890er Jahren zeigen die Gebrüder Auguste und Louis Lumière in Paris die ersten Filme mit denen von ihnen erfundenen die Projektoren. Zur gleichen Zeit beginnt der Regisseur George Méliès die Stopptricktechnik in seinen Filmen einzusetzen, um überraschende Effekte zu erzeugen: Personen verschwinden oder verdoppeln sich, Menschen interagieren scheinbar mit Monstern und Gegenstände werden lebendig.

Die erste, echte Stop Motion Animation soll Arthur Melbourne Cooper realisiert haben. In Matches: An Appeal von 1899 lässt er Streichhölzer tanzen. In den 1910er und 1920er Jahren gewinnt dann der gezeichnete Trickfilm an Bedeutung in den Kinos. 1926 bringt Lotte Reiniger nach 3 Jahren Produktionszeit den ersten abendfüllenden Animationsfilm auf die Leinwand. Die Abenteuer des Prinzen Achmed ist ein Silhouetten-Animationsfilms, die Figuren sind sehr detaillierte Scherenschnitte, die vor monochromen Hintergründen in leuchtenden Farben aufgenommen wurden. Walt Disneys Micky Mouse wird mit Steamboat Willie 1927 der erste, vollvertonte Publikumserfolg.

Von Anfang an liegt die große Faszination des Animationsfilms in den unendlichen Möglichkeiten, den Betrachter zu täuschen und Abläufe zu zeigen, die eine Filmkamera nicht aufnehmen kann. Durch das Zusammenfügen von Einzelbildern können Gegenstände zum Leben erweckt werden (animare lat. = beseelen, Leben einhauchen), an sich leblose Dinge werden zu Protagonisten, die unsere Gefühle anrühren. Und Gefühle beim Betrachter zu erzeugen ist seit jeher das entscheidende Anliegen des Films.

Puppentrick

Das populärste Genre der Stop Motion Animation ist wohl der Puppentrick im Format des Kinderfilms. Besonders in Osteuropa hat der Puppentrickfilm eine lange und reiche Tradition. Alexandr Putshko, Jiri Tranka, Karel Zeman und Hermina Tyrlova sind Namen, die den Puppentrick mit ihrem Stil geprägt haben. Hier folgen einige Beispiele von Hermina Tyrlova:

Stop Motion Puppentrick: Vzpoura Hracek (Revolution in Toyland), 1946.

Ein anderer tschechischer Puppentrick: Pat a Mat díl 1.

1.1. Puppentrick als Effekt im Realfilm

Willis O’Brien baut und animiert Modelle von Dinosauriern für Filme wie The Dinosaur and the Missing Link. Sein bekanntestes Werk schuf er mit King Kong 1933 (Fotos). Hier ein Dinosaurier in Bewegung:

Knetanimation (Claymation)

Nicht nur im Figurenfilm hat die Knetanimation einen festen Platz. Grade auch im experimentellen Animationsfilm bietet diese Technik ein große Spielfeld, auf dem sich viele Animationskünstler ausgetobt haben. Der wohl bekannteste unter ihnen ist Jan Svankmeier, der seit den 60er Jahren mit einer große Zahl von Filmen seinen unverkennbaren, psychodelischen Stil geprägt hat.

Hier folgen einige bedeutende Beispiele aus der Vergangenheit und Gegenwart der Knetanimation:

Art Clokey: The Gumby Show 1957

Die surrealistischen Animationsfilme von dem tschechischen Künstler Jan Svankmajr reizen die Möglichkeiten der Knetanimation für psychodelische und teils recht düstere Darstellungen aus. Bei Youtube sind viele seiner Kurzfilme zu sehen.

‪Jan Svankmajer: “Darkness, Light, Darkness”‬
Geb. 1934, tchechischer Filmemacher und Objektkünstler – mit seinen surrealistische Animationen hat er viele andere Filmemacher wie z.B. Tim Burton (“Corpse Bride”) und Terry Gilliam (Monty Python)

Guldies: “Euphoria”

Mit A Grand Day Out begann 1990 die lange Karriere von Wallace and Gromit, einem Erfinder und seinem Hund. Geschaffen von Nick Park, der seit 1985 aus den in Bristol beheimateten Aardman Studios nicht wegzudenken ist. Ein Besuch auf der Website der Studios lohnt sich immer!

Meine persönliche Lieblingsserie der Aardman Studios sind die Creatures Comforts:

Der australische Stop Motion Animator Adam Elliot arbeitete bereits in seiner Studienzeit (1996) mit Knetanimation und ist seitdem erfolgreich mit seinen Knetanimationen auf internationalen Festivals vertreten. Auf der offiziellen Website sind einige seiner Animationen zu sehen.

Objektanimation

Einer der Pioniere der abstrakten Objektanimation ist Oskar Fischinger, der seine geometrischen Formen zum Rhythmus musikalischer Kompositionen bewegt. Musik und visuelle Darstellung verstärken sich hierbei gegenseitig.


Oskar Fischinger: An Optical Poem (1938)


Norman McLaren: A Chairy Tale (1957)


Walerian Borowczyk: Renaissance ‬(‪1964‬)

Pixilation

Die Stop Motion Animation mit realen Personen als Figuren wurde schon seit den Anfängen der Animation eingesetzt, aber bekannt wurde sie erst durch den kanadischen Animationsfilmer Norman McLaren. In seinem Pixilationfilm Neighbours tragen zwei Hausbesitzer im Garten ihre nachbarschaftlichen Differenzen aus.

Zu Norman McLaren, dem Gründer des National Filmboard of Canada ließe sich an dieser Stelle ein ganzes Kapitel schreiben. Er hat die künstlerische Anerkennung des Animationsfilms wesentlich vorangetrieben. Hier findet ihr mehr Informationen zu McLarens unermüdlichem Schaffen in der Animationswelt. Der National Filmboard of Canada zeigt viele von McLarens Filmen.

Später fand die Pixelation-Technik dann vehement Einzug in die Welt der Musikvideos. Sledgehammer von Peter Gabriel ist ein schon älteres Beispiel:

Legetricks

Der Legetrick arbeitet mit flachen Elementen, die liegend animiert werden. Hierfür braucht man keine besonderen Befestigunselemente, deshalb ist die Produktion weniger aufwendig.

Hier sehen wir ‪Toulave telatko Tvrip, von der tschechischen Animationsfilmerin Hermina Tyrlova, die wir schon beim Puppentrick kennengelernt haben:

(Der Film ist bei Youtube leider nicht mehr verfügbar)

Der Schattenfilm, auch Scherenschnitt oder Shilouettenfilm genannt, fallen unter den Begriff des Legetricks. Der erste abendfüllende Trickfilm war ein Legetrick: Prinz Achmed von Lotte Reiniger – einer großen Persönlichkeit in der Geschichte des Animationsfilms – ist ein solcher Shilouettenfilm:

Pinscreen

Die Pinscreen Technik wurde zwischen 1932 und 1935 von Alexandre Alexeïeff und seiner Frau Claire Parker in ihrem gemeinsamen Pariser Studio entwickelt. Der Pinscreen besteht aus einem großen Nadelbrett, in dem die Nadeln mehr oder weniger weit aus dem Brett herausragen. Der Schattenwurf der Nadeln und die Reflexe lassen eine eigenwillige Bildästhetik entstehen, die der Künstler durch die Beleuchtung beeinflussen kann. Diese Technik ist recht aufwendig und wird aktuell noch von der kanadischen Künstlerin Michèle Lemieux realisiert.

Der National Filmboard of Canada zeigt eine kurze Einführung.


Weiterführende Links

Wer sich gerne auführlicher übe die Geschichte der Stop Motion Animation und des Animationsfilms im Allgemeinen informieren möchte, dem empfehlen ich die folgenden Quellen im Netz:

Die Diplomarbeit von Daniel Faigle (Köln, 2006) gibt eine sehr gute Einführung in die Geschichte der Stop Motion Animation. Sie steht hier im PDF-Format zur Verfügung.

Wikipedia zur Filmgeschichte und zur Stop Motion Animation:

https://de.wikipedia.org/wiki/Filmgeschichte

https://de.wikipedia.org/wiki/Stop-Motion

Vugar Efendi präsentiert in einer animierten Zeitreise wichtige Stationen in der Entwicklung der Geschichte des Animationsfilm. Ohne Text und Hintergrundinformationen, aber sehr eingängig und unterhaltsam:

THE EVOLUTION OF STOP-MOTION

“With the release of Kubo and the Two Strings, it is a perfect moment to go back in time and see the evolution of stop-motion animation throughout the years.” Auch interessant ist die Homepage von Vugar Efendi.

Ein guter Beitrag auf Englisch bei Focusfeatures:

A Short History of Stop Motion

Die Library Of Congress (USA) stellt einige sehr frühe Zeichentrick- und Stop Motion Animationsfilme zur Ansicht bereit:

Und falls es doch noch jemanden gibt, der sie nicht gesehen hat, kann ich mir hier einen Link zu der bekanntesten Animationen von Eadweard Mybridge, dem gallopierenden Pferd, nicht verkneifen.