In dem folgenden Abschnitt erläutere ich einige Formen der Stop Motion Technik. Sie sind nicht als streng getrennt zu verstehen. In vielen Animationsfilmen kommen mehrere Techniken zum Einsatz und zwischen manchen Formen sind die Übergänge fließend. So kann ein Puppentrick natürlich auch mit Knetfiguren gemacht sein und die Grenze zwischen abstrakter Animation und Objektanimation ist meisten schwer zu ziehen. Dennoch ist es sinnvoll, die verschiedenen Methoden zu beleuchten, um ihr Wesen zu verstehen und ihre Möglichkeiten in die eigene Ideenentwicklung besser einzubinden.
1. Puppentrick
Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei den Darstellern im Puppentrick um Puppen, die auf einem beweglichen Skelett aufgebaut werden. Die einzelnen Teile – darunter in den meisten Fällen auch das Gesicht – sind jedoch in sich unbeweglich und bleiben starr. Um z.B. einem Gesicht verschiedene Mimiken zu verleihen, sind mehrere Köpfe nötig, die während des Shootings ausgewechselt werden. Die Gelenkverbindungen der Figuren müssen gleichzeitig fest und beweglich sein, damit sich die Position aller Teile gut verändern lässt, aber auch gehalten wird, ohne viele Stützen zu benötigen. Dies stellt eine große technische Herausforderung dar.
Im Amateurfilm werden die Skelette oft aus Aluminiumdraht gebaut und dann mit weichen Materialien wie Stoff und Schaum- oder Füllstoff überzogen. Die professionellen Skelette, sogenannte Armaturen, sind sehr kostspielig und kommen deshalb meist nur in größeren oder kommerziellen Produktionen zum Einsatz.
Links zu Herstellern von professionellen Armaturen findet ihr in dem Beitrag Armaturen und Puppenbau in der Sektion Tipps und Tricks.
Seit einiger Zeit ist auch ein kleines, einfaches Skelett aus dem 3D-Drucker auf dem US-amerikanischen Markt zu haben. Leider kostet das Modell in Europa bislang das 5fache wie in den USA. Über den ModiBot Mo findet ihr hier einen Beitrag.
Hier folgen ein paar Beispiele:
Die Produktion “Dot” der Aardman Studios in Bristol (UK)von 2010 ist die kleinste Stop Motion Animation der Welt – ein Abenteuer im Nähkasten.
https://www.youtube.com/watch?v=olPDrqC2MGM
In dem Making Of wird der Entstehungsprozess und die Technik gut beschrieben:
Vincent Patar and Stéphane Aubier stecken hinter der Mini-Serie Panique au Village. Die Belgier produzieren die kurzen Geschichten um die Hauptfiguren, ein Indianer, ein Pferd und ein Cowboy in einem etwas rauh wirkenden Stil mit Plastikfiguren, die an kleine Spielzeugfiguren aus Wundertüten und Kaugummiautomaten angelehnt sind.
Eine großartige, bedrückende Geschichte über die Natur des Menschen erzählen Christoph u. Wolfgang Lauenstein in ihrem Film “Balance” von 1989. Durch die sehr sensible animierten Gesten und natürlichen Bewegungen wirken die Figuren überaus lebendig und ausdrucksvoll.
https://www.youtube.com/watch?v=1CTesYaduBA
2. Knetanimation alias Claymation
Anders als beim Puppentrick können die Teile einer Knetfigur nicht nur in ihre Position sondern auch ihre Form verändern. Besonders für das Gesicht bringt daher diese Technik ganz andere Möglichkeiten. Auch bei der Knetanimation werden Figuren, die Gliedmaßen haben, oft über ein Draht- oder Metallsketlett geformt. Die Flexibilität des Materials erlaubt generell stärkere Gestik und bringt daher oft mehr Komik in des Ausdruck der Bewegung.
Die aktuell bekanntesten Claymation Animationen kommen von den Aardman Studios aus Bristol (UK). Shaun the Sheep, Wallace and Gromit, Chicken Run sind nur ein paar der bekanntesten Titel. In diesem Video werden einige Figuren kurz vorgestellt. Man sieht ihre tatsächliche Größe, die Detaills und ein paar Eindrücke von dem Innenleben der sehr aufwendig produzierten Darsteller.
Auch hier eine Reihe von Eindrücken aus der Produktion eines Claymation Films bei den Aardman Studios:
Etwas einfacher dagegen: “Winter Ade”, ein winterliches Karaoke zum Jahreswechsel von Doro Vogel:
3. Objektanimation
Im Gegensatz zu einer Knetanimation ist ein Objekt oft starr in seiner Form. Es wird nicht speziell fals Darsteller modelliert, sondern seine eigene Beschaffenheit bestimmt den Character. Dies ist eine spannende Herausforderung, die viele künstlerische und abstrakte Filme hervorgebracht hat. Der Ton spielt bei der Animation von Objekten oft eine besondere Rolle, da er sich in der Regel nicht an der Natur orientieren kann.
Alexandre Dubosc animiert Lebensmitteln im Stil des Zoetrope, hier in “Alimation”:
Ein Animatonskünstler, dessen Filme ich persönlich bewundere, ist der Amerikaner PES. Für seine meist sehr lustigen Kurzfilme benutzt er sorfältig ausgesuchte, oft alltägliche Gegenstände. Der Stil wird vor allem durch die besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Objekte geprägt. Auch der Ton spielt bei seinen Animationen eine besonders wichtige Rolle und verwandelt die Objekte in die dargestellten Charaktere.
Hier sind 3 Beispiele von PES: “Kaboom”, “Game Over” und “Fresh Guacamole”:
Max Hattler formt in seinem Film “AANAATT” abstrakte Bilder aus Bewegung von Objekten, wechselndem Licht, Spiegel und Glas. Die surreale Anmutung lässt an den russischen Konstruktivismus denken. Bild und Ton verschmelzen – wie in allen Arbeiten von Hattler – zu einem unauflösbaren Ganzen.
4. Pixilation
Die Pixilationtechnik benutzt Personen anstelle von Puppen oder Objekten. Genau wie beim Puppentrick wird die Animation in kleinen Bewegungsschritten in Einzelbildern aufgezeichnet. Hierdurch wirken die Bewegungen unnatürlich und oft komisch. Mit dieser Technik lassen sich absurde Abläufe darstellen, z.B. wo Menschen durch die Luft fliegen. Der Name Pixilation hat nichts zu tun mit Pixeln, wie man vielleicht annehmen könnte. Er ist abgeleitet von den Pixies, mythischer Elfen aus der Gegend von Cornwall, wahrscheinlich, weil die Darsteller sich in dieser Technik surreale Bewegungen ausführen, wie jene verrückt tanzenden Elfen.
Für die Produktion von Musikvideos ist diese Technik sehr beliebt. Die White Stripes haben einige fantastische Pixilation Clips produziert, wie hier Hardest Button To Button.
The Human Scateboard ist eine sehr beeindruckende Pixilation von PES:
Legetrick und Schattenfilm
Mit dem Begriff Legetrick bezeichnet man verschiedene Stop Motion Techniken, die gemeinsam haben, dass die Figuren und Bildelemente flach sind. Die Sequenzen werden liegend unter einer senkrecht ausgerichteten Kamera aufgenommen. Dabei spielt es fast keine Rolle, aus welchem Material die Bildelemente beschaffen sind. Hier können Zeichnungen, farbige Papiere und Karton, Filz und andere Stoffe, Bindfäden, Blätter oder beliebige andere Materialien zum Einsatz kommen.
In dieser von mir selbst realisierten Testsequenz wird das Prinzip deutlich:
Cutout Animation
Die sogenannte Cutout Animation hat das flache Ausgangsmaterial mit dem Legetrick gemeinsam. Allerdings werden hier meist in mehreren Phasen gezeichnete Figuren benutzt, die in der Sequenz nacheinander aufgenommen werden. Dabei müssen die Figuren nicht notwendigerweise liegen – weswegen die Cutout Animation nicht in die Kategorie des Legetricks fällt.
Shugo Tokumaru ist ein japanischer Sänger, Songwriter und Multi-Instrumentalist. Für den Song “Katachi” haben die beiden, mit vielen Preisen ausgezeichneten Filmemacher Kasia Kijek und Przemek Adamski eine wundervolle CutoutAnimation realisiert:
Zu dieser Animation gibt es ein interessantes Making of:
Blackboard, Whiteboard und Collage
Die folgenden Beispiele sind mit dem klassischen Zeichentrickfilm eng verwand, Arbeitsweise und Wirkung sind jedoch sehr weit entfernt von Walt Disney und Tex Avery.
“Hitchiker’s Choice” von Minilogue ist ein gezeichnetes Morphing auf Whiteboard, bei dem Hände und Aktion des Zeichners Teil des Bildes sind.
Der Künstler mit dem kryptischen Namen BLU produziert großformatige, gemalte Animation mit Objektanimation im Stadtraum. Hier zu sehen ist “Big Bang Boom”.
Sandanimation
Wie der Legetrick wird die Sandanimation unter einer senkrecht über der Bühne montierten Kamera aufgenomen. Die Bühne ist in der Regel transparent und wird von unten beleuchtet. Der Sand ist das modellierende Material aus dem die Sequenzen entstehen. Diese Technik hat durch das Material einen sehr eigenen Character in Bildästhetik und Bewegung.
Pinscreen
Die Pinscreen Technik ist sehr aufwendig und kommt aktuell kaum noch zum Einsatz. Ich habe sie im Beitrag “Die Geschichte des Animationsfilms” beschrieben.
Timelapse
Die Timelapse-Aufnahme ist ein rein fotografischer Prozess. Die Kamera macht in vorprogrammierten Zeitabständen ein Bild, z.B. alle 5 Sekunden. Nach einer Stunde (60 Minuten = 60 x 60 = 3600 Sekunden / 5 = 720) sind dann 720 Bilder entstanden, die bei einer Abspielgeschwindigkeit von 25 Frames pro Sekunde (Video) in ca. 28 Sekunden ablaufen. So kann man einen Arbeitsprozess im Zeitraffer dokumentieren, Wolken vorbeirasen lassen, einen Sonnenuntergang in 4 Sekunden darstellen. Für die Pixelation ist die Timelapse-Technik eine hilfreiche Ergänzung.
Ton im Animationsfilm
Der Ton an sich ist natürlichkeine Animationstechnik und gehört damit nur am Rande in dieses Kapitel. Aber die Bedeutung, die dem Ton im Film und insbesondere im Animationsfilm zukommt, ist so enorm, dass ich trotzdem hier auf dieses Thema eingehen möchte.
Im Gegensatz zum Realfilm können wir während der Aufnahmen für eine animierte Sequenz niemals den Ton mit aufzeichnen. Alle Geräusche müssen separat erzeugt und aufgenommen werden. Die Darsteller in einem Animationsfilm sind oft sehr abstrakt, oder es handelt sich eben um Objekte, die erst durch ihre Bewegung ein Wesen verkörpern. Deshalb ist die Wahl des begleitenden Geräusches für eine Bewegung oft entscheidend dafür, ob der Zuschauer die dargestelle Geste überhaupt versteht.
Die sehr einfache, kleine Animation My Pepper Heart von PES verdeutlicht diese Bedeutung des Tons meiner Ansicht nach am besten.
Die Animation ist extrem simple: zwei verschieden geformte, rote Paprikafrüchte werden rhytmisch gegeneinander ausgetauscht. Erst das Geräusch des Herzschlags macht das Bild zu einem lebendigen Herzen.
Musikvideos sind natürlich das Genre, in dem der Ton die größte Rolle spielt. Hier ist die Musik zuerst da, und die Bilder werden zu der Musik produziert. Als Beispiel habe ich das Video der White Stripes In love with a girl ausgesucht. Es ist die schönste Legoanimation, die ich kenne:
Tutorials
Es gibt eine große Zahl von Online-Tutorials für Stop Motion Anfänger, Dr. Google weiß, wo sie zu finden sind… In ein paar davon habe ich reingeschaut und fand diese nennenswert:
Auf Jugendnetz Berlin gibt es eine schöne Einführung zur Stop Motion Technik in deutscher Sprache.
Kameleon Worldwide hat für Sony ein animiertes Tutorial produziert, in dem die grundlegenden Techniken einer Stop Motion Animation anschaulich gezeigt und erläutert werden. Es umfasst 4 Teile und ist bei Vimeo zu finden:
Stop Motion Animation Tutorials, Part 1: Getting started
This first tutorial covers the basic steps to get you started, such as putting together a storyboard and creating animatics.
Stop Motion Animation Tutorials, Part 2: Preparing to shoot
In this tutorial you’ll learn how to use editing software, capture the animatics, arrange the different frames and plan the sequence of your animation.
Stop Motion Animation Tutorials, Part 3: Capturing the movement
Stop Motion Animation Tutorials, Part 4: Finalising your film
NoMagnolia ist ein Portal für Video, Animation und Motion Graphics. Es gibt dort unter anderem eine Tutorialreihe zum Thema Stop Motion, die neben einer kurzen Anleitung auch einiges an Hintergrundinformation bietet:
Introduction to stop-motion animation, part 1
Introduction to stop-motion animation, part 2